Nils Straatmann: Auf Jesu Spuren. Eine Wanderung durch Isreal und Palästina

Während einer Vorlesung im Rahmen seines Theologiestudiums fasst Nils Straatmann den Entschluss, sich nicht nur über das Land, in dem Jesus wirkte, informieren zu lassen, sondern es zu erwandern. Auf diese Weise - so erscheint es ihm - gelingt am ehesten, dem nachzuspüren, wer Jesus war, was ihn geprägt hat und wer er heute in diesem von Konflikten zerrissenen Land sein könnte. Mit einem Freund setzt er sein Vorhaben um. Beide erleben ein Land voller Gegensätze und Widersprüche. Sie beginnen ihre Erkundungen in Bethlehem, wandern von dort zum Hermon an der syrisch-libanesischen Grenze und weiter entlang der Originalschauplätze des Evangeliums nach Jerusalem.

Anschaulich beschreibt der Autor Landschaften und Siedlungen, Menschen und teils berührende, teils gefährliche Begegnungen. Das Erleben von unterschiedlichen Kulturen, Machtverhältnissen, Denkweisen und Gefühlen sowie der eigenen Grenzerfahrungen bedeutet für beide ein sowohl emotional als auch kognitiv schwer zu verkraftendes Wechselbad. Die Vorstellung davon, was sie als Pilger auf den Spuren Jesu erwarten würde, und die Realität gehen extrem auseinander. Das Land und die Menschen, die in ihm wohnen, erweisen sich differenzierter als vermutet, viele Situationen sind komplexer, als es der Tourist, der das Arrangement eines Reiseveranstalters in Anspruch nimmt, je erahnen kann. Doch darin besteht wohl die Gemeinsamkeit zwischen der Situation heute und der von damals: Sie ist eine undurchschaubare Gemengelage von Interessen unterschiedlichster Machtblöcke, nicht aufgearbeiteter historischer Hypotheken, erfinderischer Versuche der Einzelnen, mit dieser Situation zurechtzukommen und darin zu überleben - zusammen mit einer unendlichen Sehnsucht nach Ruhe und Frieden.

Das Buch ist nicht nur eine spannende Lektüre,  sondern auch eine .mit vielen Aspekten. Es  lässt die Situation zur Zeit Jesu in einem hintergründigeren Licht erscheinen, zeigt einen Weg zur Erklärung vieler heutiger Probleme, zudem haben auch Heilig-Land-Stimmung, Archäologie, Religionskunde und anderes darin Platz. Nicht zuletzt antwortet es damit auch auf die Frage, warum Jesus - so gesehen - scheitern musste. Empfehlenswert.

(Hanns Sauter)

Vgl. Nils Straatmann: "Auf Jesu Spuren. Eine Wanderung durch Isreal und Palästina"; München (Malik) 2017