„Herr, lehre uns beten“ - Sr. Dr. Kunigunde Fürst

„Herr, lehre uns beten“, Lk 11,1

Immer wenn ich dieses Wort höre oder auch lese, geht mir eine Frage nach, was will der Jünger, der fragt, wirklich von Jesus und er stellt die Bitte gleich im Plural- lehre uns beten.

Er will „beten lernen“- etwas, was man kann, braucht man nicht zu lernen. Als in der jüdischen Tradition verwurzelte Männer, sind sie es doch gewohnt, regelmäßig zu beten. Was also ist der Grund für diese Bitte?

Es muss wohl eine andere Art des Betens sein, die Jesus seinen Jüngern vorgelebt hat. Ist es die Stille, die Einsamkeit, die Jesus gesucht hat, um mit Gott seinem Vater Kontakt zu haben? Ist Jesus nach einem Gebet „anders gewesen“ als in der normalen Begegnung? Hat bei Jesus die Zeit des Rückzugs eine andere, vertiefte Art der Begegnung gebracht?

Bei diesen Überlegungen sind mir Erfahrungen aus meinem Leben in den Sinn gekommen. Wenn ich als Kind Probleme mit der Hausaufgabe hatte, fragte ich meine Mutter:“ Bitte hilf mir dabei!“. Ich tat es, weil ich wusste, dass sie es kann. Wie ist es, wenn ein Schüler im Unterricht fragt: „ Bitte, zeigen/erklären Sie uns das nochmals, wir verstehen es nicht!“ Ich gestehe, ich habe oft keine Geduld gehabt, den `Begriffstützigen` zu helfen und nochmals von vorn zu beginnen. Aber als ich mit 15 Jahren Schwimmen lernen wollte, da bat ich eine Mitschülerin: „Zeige mir, wie das geht!“, und sie hat es trotz Rückschläge wieder und wieder versucht bis es klappte.

Warum also fragt man so wie der Jünger Jesus fragte? Weil er ihn als kompetent in dieser Frage des Betens erlebte. Jesus hat vorgelebt, was für ihn bedeutsam war. Er hat nicht mit erhobenem Zeigefinger belehrt, sondern es einfach nur vorgemacht wie man beten kann.

Der eine Jünger stellt diese Bitte gleich für alle. Nicht aus Wichtigtuerei, sondern weil ihm schien, dass es für sie alle von Bedeutung ist, beten zu können wie Jesus selbst.
Herr, bringe uns das Beten bei----- VATER UNSER….

Sr. Dr. Kunigunde Fürst, Franziskanerinnen v Vöcklabruck