Meine biblischen Lieblingsgeschichten II - Beitrag von Doris M. Bömken, Lic.Theol.

Meine biblischen Lieblingsgeschichten II

Bileam und der Esel - Num 22


In meinem Heimatort gibt es einen wunderschönen Tierpark mit meist heimischen Tieren, darunter auch ein Gehege mit Eseln, die ich immer wieder gerne besuche und fotografiere.

Esel sind ja wieder groß im Kommen. Es gibt Esel-Therapien, um sich zu entschleunigen, denn ein Esel strahlt Ruhe aus und möchte auch in Ruhe begegnet werden. Gerade in unruhigen Zeiten ein wichtiges Vorbild.

Leider ist der Esel mit vielen Vorurteilen belegt. Dumm, faul und störrisch soll er sein. Dabei sind Esel sehr klug und gutmütig. Sie können eine Situation gut abwägen und bleiben dann stehen. Das hat nichts mit Sturheit zu tun. Pferde fliehen, wenn Gefahr droht, Esel warnen die Umgebung durch lautes Schreien und geraten nicht in Panik.

Genau mit diesem Vorurteil spielt auch die Geschichte von Bileam. Die Israeliten lagern im Jordantal und stehen kurz vor der Eroberung des Landes Kanaan. Die Moabiter, die dort leben, haben Angst und ihr König Balak ruft den Seher Bileam, damit er den Israeliten gegen Bezahlung Unglück wünscht. Zunächst weigert sich Bileam, aber der König lässt nicht locker, bietet noch mehr Geld. Bileam betet zu Gott um Rat und Gott spricht zu ihm: „Mach dich auf den Weg und geh mit. Aber nur das Wort, das ich dir sagen werde, darfst du tun.“ (Num 22,22). Bileam macht sich also mit seiner Eselin auf den Weg und plötzlich bleibt die Eselin stehen. Bileam erkennt keinen Grund für dieses Verhalten. Er reagiert wütend, schlägt auf den armen Esel ein. Das Tier geht weiter, bleibt aber kurze Zeit später wieder stehen, drängt sich sogar auf dem engen Weg zwischen den Weinbergen an die Mauer und drückt Bileams Bein gegen die Steine. Der wird noch ärgerlicher und schlägt wieder zu. Erneut geht die Eselin weiter, aber wieder bleibt sie kurze Zeit später stehen, geht sogar in die Knie. Nun wird Bileam richtig zornig und schlägt erneut zu. Die Eselin beginnt zu sprechen: „Was habe ich dir getan, dass du mich zum dritten Mal schlägst?“ Bileam versucht seinen Zorn zu rechtfertigen, aber die Eselin zeigt ihm in aller Ruhe auf, dass sie ihm doch immer gut gedient hat. Da gehen Bileam endlich die Augen auf, er erkennt den Grund für das Verhalten des Esels. Ein Engel Gottes hatte sich ihm in den Weg gestellt.

Wie oft geraten wir in Zorn, ohne uns zu fragen, ob dieses Verhalten gerade gerechtfertigt ist. Wie oft sehen wir gar nicht genau hin und können deshalb nicht erkennen, was jetzt wichtig ist. Wir gönnen uns nicht die Ruhe für genaues Hinsehen oder um erst Mal durchzuatmen, bevor wir uns echauffieren.

Die Eselin Bileams ist da viel entspannter. Sie bleibt einfach stehen, hält inne und lässt sich auch durch die Schläge nicht aus der Ruhe bringen, sondern bringt sogar Bileam dazu, sein Fehlverhalten einzusehen und seine Augen dem Außergewöhnlichen zu öffnen. Denn einen Engel Gottes erkennt man nicht so leicht. Die tauchen nicht immer mit Posaunen und hellem Licht auf.

Ich wünsche uns, dass wir – wie Bileams Eselin - nicht vorschnell handeln, sondern einfach einmal stehen bleiben, um das, was wichtig ist, wirklich wahrzunehmen. Vielleicht begegnet uns dann auch ein Engel.

Wenn ich die Esel im Tierpark besuche, denke ich oft an diese Geschichte und wie gut es war, dass Bileam eine Eselin als Reittier gewählt hatte.

Unbenannt

Foto: Doris M. Bömken, Kaisergarten in Oberhausen



Doris M. Bömken, Lic.Theol.