Mehr Mut zur Sprache der Bibel
12.01.17
Seit Kurzem gibt es eine neue überarbeitete Fassung der Einheitsübersetzung der Bibel, präsentiert von der Deutschen Bischofskonferenz. An dem Zehn-Jahres-Projekt waren auch österreichische Experten beteiligt. Die ersten neuen Bibelausgaben sind bereits erhältlich – aber es wird noch dauern, bis die Änderungen in die Messbücher gelangen. Wir werfen einen Blick auf die Veränderungen.
Es sei nicht gut, dass der Mensch alleine bleibt, sagte Gott. Deshalb gab er dem Menschen eine „Hilfe, die ihm entspricht“. So übersetzte die Einheitsübersetzung bisher Genesis 2,18, wo es um den Anlass geht, der letztlich zur Schöpfung der Frau führt. Nur: Was ist eine „Hilfe, die ihm entspricht“? Das Problem hat die Revision der Einheitsübersetzung nun aufgegriffen, wo es eindeutiger „ebenbürtige Hilfe“ heißt.
Es sind Beispiele wie dieses, die zeigen, worum es bei der Revision der Einheitsübersetzung nach rund dreieinhalb Jahrzehnten geht: keine Neuübersetzung, sondern eine Überarbeitung. Grundlage dafür waren neue Erkenntnisse der Wissenschaft, Veränderungen im deutschen Sprachgebrauch (Elisabet wird zum Beispiel jetzt „schwanger“ statt „sie empfing“) und an manchen Stellen die Rückkehr zu einer biblischen Redeweise.
Was das bedeutet, kann Johannes Marböck erläutern. Der Professor für Altes Testament gehörte neben dem emeritierten Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser und dem Neutestamentler Franz Zeilinger zu den österreichischen Mitgliedern des Leitungsgremiums für die Revision.
„Es gibt zum Beispiel Stellen, wo bisher in der Übersetzung von der ‚Macht‘ oder der ‚Gewalt‘ Gottes die Rede war. Hier kehren wir zu dem Bild zurück, das im Originaltext steht, wo ‚Hand Gottes‘ steht. Auch der aufmerksam machende Ausruf ‚siehe‘ war in der Einheitsübersetzung mehrmals gestrichen worden und kehrt jetzt teilweise wieder zurück. Wir wollten den Charakter der biblischen Bücher wieder besser erkennbar machen.“
Gottesname.
Zum Charakter des Alten Testaments gehört auch der Umgang der Juden mit dem Text, denn immerhin ist es zunächst ihre Bibel. Der Gottesname JAHWE wird von ihnen aus Ehrfurcht durch Umschreibungen ersetzt. Dem folgt nun auch die Einheitsübersetzung: Statt des Gottesnamens steht HERR in Großbuchstaben. Wo der Gottesname erklärt wird (Exodus 3,14) heißt es jetzt weniger deutend „Ich bin der ich bin“ statt „Ich bin der ich-bin-da“.
Auffällig an der Überarbeitung ist an manchen Stellen die Einbeziehung der Frauen, wenn das im Text inhaltlich auch so gemeint ist. „Direkte Anreden in den Paulusbriefen richten sich jetzt an ‚Brüder und Schwestern‘ statt nur an ‚Brüder‘. An Stellen, wo es passt, steht statt ‚Söhne‘ nun ‚Kinder‘ und statt ‚Väter‘ jetzt ‚Eltern‘“, berichtet Marböck, der auch die Apostelin Junia im Römerbrief erwähnt.
An einer viel diskutierten Stelle hat man die Fußnote deutlicher formuliert: Bei Jesaja 7,14 (Ankündigung des Immanuel) ist es in der Übersetzung zwar weiter die „Jungfrau“, die ein Kind empfängt. Aber die Erläuterung sagt klarer als bisher, dass der hebräische Begriff „almáh“ eigentlich nur „junge Frau“ bedeutet. Die Jungfrau taucht erst in der griechischen Übersetzung (Septuaginta) und im Matthäusevangelium auf.
Es gab aber ein paar größere Veränderungen, die notwendig wurden, wie Johannes Marböck berichtet. Jesus Sirach zum Beispiel ist ein biblisches Buch mit einer sehr komplizierten Textgeschichte. „Die bisherige Übersetzung fußte auf einer Kombination aus hebräischen Fragmenten und Übersetzungen ins Griechische und Syrische. Wir haben uns nun klar für die griechische Fassung entschieden, denn das ist der älteste vollständig erhaltene Text. Die anderen Fassungen werden in Anmerkungen berücksichtigt“, sagt Marböck, der selbst ein Experte für Jesus Sirach ist.
Beim Buch Tobit hatte die bisherige Einheitsübersetzung die kürzere der beiden griechischen Fassungen übertragen. „Jetzt steht dort die längere – in der Überzeugung, dass sie die ursprünglichere ist“, sagt Marböck.
Geduld.
Begonnen hatte die Arbeit an der Revision 2006: Die einzelnen Bearbeiter der biblischen Bücher, alles ausgewiesene Experten, legten ihre Änderungsvorschläge dem Leitungsgremium vor, dem Marböck angehörte. Dort wurde entschieden, was davon übernommen wird. Vor der endgültigen Entscheidung des Gremiums konnten die Bearbeiter nochmals Stellung nehmen. Diese Arbeit war 2014 abgeschlossen. Dann war der Vatikan am Wort, der die Texte im heurigen März genehmigte – ohne große Einwände, wie Marböck betont.
Bis aber die Mehrzahl der Gläubigen die revidierte Einheitsübersetzung in Händen halten können, zieht noch Zeit ins Land: Mitte Dezember sind die ersten Exemplare auf den Markt gekommen. Noch viel länger dauert der Prozess, aus den neuen Texten auch neue liturgische Bücher für den Gottesdienst zu machen. Ein Zeitplan liegt noch nicht vor, angefangen wird bei den Messlektionaren.
„Nicht schnipseln“
Hier hat Professor Marböck einen Wunsch: Besonders in den Lesungen aus dem Alten Testament solle nicht so viel durch Kürzungen „geschnipselt werden“. Es sollen ganze Abschnitte gelesen werden, ohne einzelne, vielleicht unbequeme, Verse auszulassen. Dass es für die Liturgie eine einheitliche Übersetzung gibt, hält der Wissenschaftler für wichtig: „Nur so prägen sich Texte auch ein. Das gelingt nicht, wenn ständig verschiedene Übersetzungen gelesen werden. Auch die evangelische Kirche ist ja jetzt bei ihrer Revision der Lutherbibel aus diesem Grund darauf bedacht gewesen, wo es vertretbar ist, wieder mehr auf Luthers Wortlaut zurückzugreifen.“
Dass die evangelische Kirche, die bei der „alten“ Einheitsübersetzung teilweise eingebunden war, diesmal nicht mit an Bord war, ist auch ein Faktum. Hintergrund war eine Instruktion aus Rom, welche die evangelische Seite nicht mittragen konnte. Am Reformationstag 2016 präsentierten sie die revidierte Fassung der Lutherbibel.
Außer in der Liturgie findet es Johannes Marböck übrigens gut, dass es mehrere Übersetzungen der Bibel gibt: „Übersetzen ist immer ein Stück weit Interpretation. Durch die verschiedenen Übersetzungen, die nebeneinander stehen, kommt wieder mehr vom Reichtum des Originaltextes hervor – Aspekte, die eine einzelne Bibelübersetzung gar nicht ausdrücken kann.“
Quelle: "Der Sonntag"
Es sei nicht gut, dass der Mensch alleine bleibt, sagte Gott. Deshalb gab er dem Menschen eine „Hilfe, die ihm entspricht“. So übersetzte die Einheitsübersetzung bisher Genesis 2,18, wo es um den Anlass geht, der letztlich zur Schöpfung der Frau führt. Nur: Was ist eine „Hilfe, die ihm entspricht“? Das Problem hat die Revision der Einheitsübersetzung nun aufgegriffen, wo es eindeutiger „ebenbürtige Hilfe“ heißt.
Es sind Beispiele wie dieses, die zeigen, worum es bei der Revision der Einheitsübersetzung nach rund dreieinhalb Jahrzehnten geht: keine Neuübersetzung, sondern eine Überarbeitung. Grundlage dafür waren neue Erkenntnisse der Wissenschaft, Veränderungen im deutschen Sprachgebrauch (Elisabet wird zum Beispiel jetzt „schwanger“ statt „sie empfing“) und an manchen Stellen die Rückkehr zu einer biblischen Redeweise.
Was das bedeutet, kann Johannes Marböck erläutern. Der Professor für Altes Testament gehörte neben dem emeritierten Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser und dem Neutestamentler Franz Zeilinger zu den österreichischen Mitgliedern des Leitungsgremiums für die Revision.
„Es gibt zum Beispiel Stellen, wo bisher in der Übersetzung von der ‚Macht‘ oder der ‚Gewalt‘ Gottes die Rede war. Hier kehren wir zu dem Bild zurück, das im Originaltext steht, wo ‚Hand Gottes‘ steht. Auch der aufmerksam machende Ausruf ‚siehe‘ war in der Einheitsübersetzung mehrmals gestrichen worden und kehrt jetzt teilweise wieder zurück. Wir wollten den Charakter der biblischen Bücher wieder besser erkennbar machen.“
Gottesname.
Zum Charakter des Alten Testaments gehört auch der Umgang der Juden mit dem Text, denn immerhin ist es zunächst ihre Bibel. Der Gottesname JAHWE wird von ihnen aus Ehrfurcht durch Umschreibungen ersetzt. Dem folgt nun auch die Einheitsübersetzung: Statt des Gottesnamens steht HERR in Großbuchstaben. Wo der Gottesname erklärt wird (Exodus 3,14) heißt es jetzt weniger deutend „Ich bin der ich bin“ statt „Ich bin der ich-bin-da“.
Auffällig an der Überarbeitung ist an manchen Stellen die Einbeziehung der Frauen, wenn das im Text inhaltlich auch so gemeint ist. „Direkte Anreden in den Paulusbriefen richten sich jetzt an ‚Brüder und Schwestern‘ statt nur an ‚Brüder‘. An Stellen, wo es passt, steht statt ‚Söhne‘ nun ‚Kinder‘ und statt ‚Väter‘ jetzt ‚Eltern‘“, berichtet Marböck, der auch die Apostelin Junia im Römerbrief erwähnt.
An einer viel diskutierten Stelle hat man die Fußnote deutlicher formuliert: Bei Jesaja 7,14 (Ankündigung des Immanuel) ist es in der Übersetzung zwar weiter die „Jungfrau“, die ein Kind empfängt. Aber die Erläuterung sagt klarer als bisher, dass der hebräische Begriff „almáh“ eigentlich nur „junge Frau“ bedeutet. Die Jungfrau taucht erst in der griechischen Übersetzung (Septuaginta) und im Matthäusevangelium auf.
Es gab aber ein paar größere Veränderungen, die notwendig wurden, wie Johannes Marböck berichtet. Jesus Sirach zum Beispiel ist ein biblisches Buch mit einer sehr komplizierten Textgeschichte. „Die bisherige Übersetzung fußte auf einer Kombination aus hebräischen Fragmenten und Übersetzungen ins Griechische und Syrische. Wir haben uns nun klar für die griechische Fassung entschieden, denn das ist der älteste vollständig erhaltene Text. Die anderen Fassungen werden in Anmerkungen berücksichtigt“, sagt Marböck, der selbst ein Experte für Jesus Sirach ist.
Beim Buch Tobit hatte die bisherige Einheitsübersetzung die kürzere der beiden griechischen Fassungen übertragen. „Jetzt steht dort die längere – in der Überzeugung, dass sie die ursprünglichere ist“, sagt Marböck.
Geduld.
Begonnen hatte die Arbeit an der Revision 2006: Die einzelnen Bearbeiter der biblischen Bücher, alles ausgewiesene Experten, legten ihre Änderungsvorschläge dem Leitungsgremium vor, dem Marböck angehörte. Dort wurde entschieden, was davon übernommen wird. Vor der endgültigen Entscheidung des Gremiums konnten die Bearbeiter nochmals Stellung nehmen. Diese Arbeit war 2014 abgeschlossen. Dann war der Vatikan am Wort, der die Texte im heurigen März genehmigte – ohne große Einwände, wie Marböck betont.
Bis aber die Mehrzahl der Gläubigen die revidierte Einheitsübersetzung in Händen halten können, zieht noch Zeit ins Land: Mitte Dezember sind die ersten Exemplare auf den Markt gekommen. Noch viel länger dauert der Prozess, aus den neuen Texten auch neue liturgische Bücher für den Gottesdienst zu machen. Ein Zeitplan liegt noch nicht vor, angefangen wird bei den Messlektionaren.
„Nicht schnipseln“
Hier hat Professor Marböck einen Wunsch: Besonders in den Lesungen aus dem Alten Testament solle nicht so viel durch Kürzungen „geschnipselt werden“. Es sollen ganze Abschnitte gelesen werden, ohne einzelne, vielleicht unbequeme, Verse auszulassen. Dass es für die Liturgie eine einheitliche Übersetzung gibt, hält der Wissenschaftler für wichtig: „Nur so prägen sich Texte auch ein. Das gelingt nicht, wenn ständig verschiedene Übersetzungen gelesen werden. Auch die evangelische Kirche ist ja jetzt bei ihrer Revision der Lutherbibel aus diesem Grund darauf bedacht gewesen, wo es vertretbar ist, wieder mehr auf Luthers Wortlaut zurückzugreifen.“
Dass die evangelische Kirche, die bei der „alten“ Einheitsübersetzung teilweise eingebunden war, diesmal nicht mit an Bord war, ist auch ein Faktum. Hintergrund war eine Instruktion aus Rom, welche die evangelische Seite nicht mittragen konnte. Am Reformationstag 2016 präsentierten sie die revidierte Fassung der Lutherbibel.
Außer in der Liturgie findet es Johannes Marböck übrigens gut, dass es mehrere Übersetzungen der Bibel gibt: „Übersetzen ist immer ein Stück weit Interpretation. Durch die verschiedenen Übersetzungen, die nebeneinander stehen, kommt wieder mehr vom Reichtum des Originaltextes hervor – Aspekte, die eine einzelne Bibelübersetzung gar nicht ausdrücken kann.“
Quelle: "Der Sonntag"